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Marzipanherzen und Brote aus Mandelteig
Nicht selten sorgt die ungewisse Herkunft eines Namens für einen gewissen Zauber.
Das gilt auch für das Marzipan. Seine Bezeichnung verliert sich zwar nicht im Dunkel der Geschichte, aber es kursieren gleich mehrere Herleitungen: Einmal soll der Name aus dem Griechischen stammen, dann wieder aus dem Lateinischen oder Persischen sowie schließlich nach der Stadt Martaban in Burma benannt sein. Geklärt ist hingegen, dass die massive Süßigkeit ihren Ursprung im Orient hat. Wenngleich auch viele ihrer Liebhaber sie für eine Erfindung halten, die einst in den mittelalterlichen Hansestädten Lübeck, Königsberg und Reval wenn nicht gemacht, so doch zu höchster Blüte gebracht wurde. Sie verdankt sich dem Eifer von Konditoren und dem Geschäftssinn von Pfeffersäcken gleichermaßen. Königsberg hat seine diesbezügliche Tradition in heißen wie kalten Kriegswirren eingebüßt. Aber in Charlottenburg hat das Marzipan aus Ostpreußen eine neue Bleibe gefunden. Bereits 1939 übersiedelte Paul Wald mit seiner Frau Irmgard in die Hauptstadt, um seinen Konditormeister zu machen. Kurz nach dem Krieg begann der „Reichssieger“ seiner Innung unbeirrt wieder mit der Herstellung seiner geliebten Spezerei. Noch heute wird die Rohmasse des Wald-Marzipans nach einem Rezept aus dem Jahr 1949 gefertigt. Genauso unangetastet blieb auch die Produktion eines ganz leicht körnigen Marzipans, das sich vom weitaus bekannteren Lübecker durch einen etwas geringeren Zuckeranteil – er liegt bei etwa 30 Prozent – und eine gebräunte Kruste unterscheidet. Letztere entsteht in einem historischen Flämmofen, der für die Manufaktur in der Pestalozzistraße eigens rekonstruiert wurde. Das Besondere ist der Karamell „Manche Kunden mögen unser Königsberger Teekonfekt ganz hell“, sagt Anneliese Tessarz, die Tochter des Gründerpaares und heutige Inhaberin, „was ich eigentlich nicht verstehen kann. Denn das Karamell ist doch das Besondere auf der reinen Ware.“ In deutlichem Kontrast zur dunklen Färbung stehen die blendend weißen Pappschachteln mit dem charakteristischen Firmen-Schriftzug, den ihre Eltern selbst im Stil der frühen fünfziger Jahre entworfen haben. In sie füllt Frau Tessarz neben Marzipan-Herzen, die innen einen Spiegel aus Fondant aufweisen, eine Vielzahl von Pralinen sowie klassische Brote aus dem Mandelteig und fixiert den Deckel mit Klebestreifen und Schleife, damit sie sich halten. Frische nämlich ist fast so etwas wie eine Zutat. Die Pralinen bestehen aus einem mit Alkohol, Früchten und Nüssen veredelten Marzipan-Kern, um den beste belgische Bitterschokolade gegossen wird. Ananas, Ingwer, Zitrone, Haselnuss und Pistazie gehören zu den beliebtesten Sorten. Dann und wann gehorcht das Haus der Mode und aromatisiert mit Grappa. Das ist dann aber auch das äußerste Zugeständnis, das die aus gutem Grund konservative Kleinfabrikation zu machen bereit ist. Häufig bekommt Frau Tessarz Besuch von Leuten aus der Heimat ihrer Vorfahren. Dann wandeln sich die Spezereien zu Souvenirs aus einer verlorenen Zeit.
Quelle: Archiv – Berliner Zeitung (Link)
Autor: Antonia Schulemann
Datum: 08.Dezember.2007
Quelle: Archiv – Berliner Zeitung (Link)
Autor: Antonia Schulemann
Datum: 08.Dezember.2007
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